Donnerstag, 22. August 2019

Freischwimmerin


In diesem Sommer habe ich ganz überraschenderweise mein Freischwimmerabzeichen gemacht. Mein Mamafreischwimmer, juchuh! Gäbe es ein Abzeichen, ich würde es mir auf den Badeanzug nähen. 30 000 Meter bin ich geschwommen, die Planschereien in der dänischen Ostsee und in dem herrlich heißen Jacuzzi nicht mit eingerechnet.

Lange lange vor den drei Kindern, da gab es mal einen Sommer, da bin ich jeden Tag der Ferien mit dem Rad ins Freibad geradelt. Eine halbe Stunde hin, zunächst 1000 Meter schwimmen, später dann sogar 2000 Meter, duschen, in Ruhe  eincremen, eine halbe Stunde zurück. Ich fühlte mich super, sportlich und sonnengebräunt. Herrlich! Und danach war erstaunlicherweise auch immer noch so viel Tag übrig.  Du erinnerst dich ebenfalls an solche Tage? Es waren genau diese, von denen ich mich heute manchmal frage, was habe ich denn eigentlich so den lieben langen Tag gemacht?!

In diesen Ferien kam es nun so, dass ich versuchen wollte, daran anzuknüpfen. Postwendende Zweifel: Ach, das wird nicht gehen! Ich kann mir nicht jeden Tag diese Zeit abknappsen! Was machen die Kinder? ...  Ich sage euch, was sie gemacht haben, sie sind an den meisten Tagen ganz einfach mitgekommen. 


Immer mal wieder in unterschiedlicher Besetzung. Mal war ich nur mit einem Kind da, mal mit allen dreien, mal waren noch Freunde oder Freundinnen mit. An einigen Tagen waren wir darauf eingestellt, länger zu bleiben, an anderen ging es wirklich nur um die zwanzig Bahnen. Mal gleich nach dem Frühstück, mal am Nachmittag. Für die Kinder war das herrlich. Selbst, wenn das Wetter eben nicht superbombastisch war, hatten wir dennoch unsere tägliche Portion Wasser, konnte ich schwimmen. Unsere Tasche stand immer bereit. So war es fast gar kein Aufwand, und die Abläufe waren schnell klar: Schwimmsachen drunterziehen, Familienkarte lösen, Stammspint in der Umkleide anpeilen, duschen, ab ins Wasser. Es gab natürlich auch mal die obligatorischen "Nach-dem-Schwimmem-haben- wir-Riesenhunger-Pommes" in unserer Lieblingsfrittenbude, und sonnige Picknickdeckennachmittage mit Kartenspiel und Butterkeksen gab es auch. 

Einmal zog es sich so plötzlich zu, dass ich versuchte, gegen die dunklen Wolken anzuschwimmen. Es nützte aber nichts. Wir sollten raus aus dem Becken. Das Gewitter kam. In unsere Handtücher eingewickelt, mussten wir dann warten, bis es vorübergezogen war. Schon kurze Zeit später war die liebe Sonne gleich wieder da. Schnell war der Gedanke an heißen Kakao und Märchenfilm verflogen, und wir konnten wieder ins Wasser. Ich konnte fleißig meine zwanzig Bahnen beenden. 

Freibad-to-go für die Reisetasche. Ich hätte keine passendere Ferienlektüre für uns finden können.  Drei Geschwister verbringen mit einer Freibadfreikarte einen Sommer unter freiem Himmel. Eine gradlinige, schnörkellose Geschichte, die trotzdem immer weitergelesen werden wollte, und der es trotz aller Alltäglichkeit nicht an Humor und Spannung fehlte.  Bei jeder Seite konnten wir dieses vertraute "Unter-freiem-Himmel-Gefühl" nachempfinden.

 

Nach dem Urlaub bin ich gleich wieder ins Wasser. Die Reisetaschen waren noch am gleichen Tag ausgepackt, alles war wieder an Ort und Stelle, da bin ich am Tag drauf wieder drauf los geschwommen. Anschließend habe ich eine kleine Radtour unternommen und bin außerdem über ein Blumenfeld gelaufen. Geradezu ein Triathlon. Und das ganz alleine. Einfach, weil ich darauf Lust hatte und niemand mit wollte. Geht jetzt eben auch. Sie werden größer, und ich freier, zumindest übe ich es.


Das wirklich große Mädchen ist oft mit mir geschwommen. Ein wundervoller Moment für meine Mamaherztapete, wie sie mir sommersprossenstrahlend im Becken entgegenschwimmt. Hach! Als ich vor bestimmt über 15 Jahren meine letzten Bahnen geschwommen bin, war noch an keines dieser drei Kinder zu denken, und jetzt toben wir gemeinsam durch das Becken, juchzen gemeinsam die Rutsche herunter, sie schwimmen mit mir oder hüpfen munter hinter mir ins Becken. 



Schön, dass ich jetzt wieder schwimmen kann, mal alleine, mal in allerliebster Gesellschaft. Glück hat man, wenn man das liebt, was man bekommt. Und wenn ich mir die älteren Damen links und rechts von mir anschaue, die mit ihrer Freundin plaudenderweise Bahn um Bahn schwimmen, dann sehe ich mich in ferner Zukunft das so ähnlich machen. 

Solche und viele andere Gedanken kommen beim Schwimmen, auch Pläne und Ideen tauchen auf und auch wieder ab. Manchmal konnte ich gar nicht aufhören, nachzudenken, und ein anderes Mal hatte ich nur die Zahl der jeweiligen Bahn im Kopf. ... 15, 16, 17, 18, 19, 20. Schwimmmeditation. 
Nach dem Schwimmen fühle ich mich klar, erfrischt und wahrlich ganzheitlich gestrafft, auch wenn ich mit meiner Dänemarksofteisdiät gut dagegen gesteuert habe. 


Ich liebe es, mir nach dem Schwimmen nur kurz mit dem Föhn die Haare durchzupusten und lediglich einen Klecks Sonnencreme aufzutragen. Keine Schnörkel. An manchen Tagen noch nicht mal Wimperntusche.  Zu Hause nimmt mein Mann eine Nase voll von mir und sagt liebevoll: "Ich mag es, wenn du nach Chlor riechst!" Ich weiß dann, er freut sich für mich, freut sich mit mir über diesen großartigen Sommer, der seine Spuren bei mir hinterlassen hat, und zwar nicht nur in Form eines Badeanzugabdrucks. Dieser Sommer hat mir dieses unvergessliche FREIbadgefühl gegeben. 


Diese Saison werde ich auf jeden Fall noch bis Mitte September auskosten. Fürs nächste Jahr muss dann also unbedingt eine 100erKarte her, das steht schon fest.

Jetzt, da der Alltag uns wieder hat, habe ich es tatsächlich auch schon geschafft, abzutauchen. Wenn ich nun kurz vorm Abendessen meine Bahnen schwimme, steht die Sonne um diese Zeit schon ganz schön tief, aber sie scheint, wenn auch im spätsommerlichen Gewand. Ich liebe die Lichtreflexe, die sie auf der Wasseroberfläche zaubert, und ich genieße es, mich kraftvoll vom Beckenrand abzustoßen und durch sie hindurchzugleiten. Ich bin froh, dass ich meine Idee durchgezogen habe, wahrhaftig Bahn für Bahn. Und wenn es gut läuft, kann ich mich demnächst weiterhin im Hallenbad freischwimmen. 



Jetzt lasse ich also die Wäsche stehen, der Hefeteig kann sich bis zum Abendbrot alleine ausruhen und schnappe mir fix meine Tasche!

Wie ist es bei dir? Hast du schon dein Freischwimmerabzeichen? 

Erzähl doch mal!
GOLDI