Freitag, 25. Januar 2019

Elternlehrauftrag




Jetzt, wo die Urlaubsplanung für den Sommer im vollen Gange ist, habe ich mal wieder die Europakarte hervorgekramt. Ich wusste, wenn mein Sohn am Morgen die Treppe runterkommt, ist die Begeisterung mit Sicherheit groß! Und so war es, sie hätte nicht größer sein können! Bauklötze hat er gestaunt und sich riesig gefreut. Sofort sollte der Papa zeigen, auf welchem Weg die Carthager beim dritten punischen Krieg nach Rom gekommen sind! Wie, das weißt du nicht?! Ich auch nicht! Aber zum Glück ist der Papa Geschichtslehrer, und die Geschichtsbegeisterung des gar nicht mehr so kleinen Mannes unbändig groß. Ausgerechnet an dem Tag kamen wir auch noch auf den Brexit zu sprechen. Wie an jedem Morgen mümmelten die Kinder nämlich ihr Frühstück über der Tageszeitung, und so fragten die drei: Was bedeutet das? Wie ist es dazu gekommen? Was macht das mit den Menschen in England? Der Vater unterrichtet glücklicherweise auch Politik. Bei all diesen Fragen  hätten wir fast den pünktlichen Absprung zur Schule verpasst. Jetzt aber hurtig, Zähne putzen und dann los!
Dieser Morgen wirkte lange nach und wirkt auch immer noch. Er beschäftigte mich sowohl als Mutter, aber auch als Lehrerin. Wie stehe ich eigentlich zur Schule meiner Kinder? Zur Schule überhaupt? 



In der Schule werden sie mit Sicherheit über keines unserer Frühstücksthemen sprechen. Am Gymnasium vielleicht am ehesten. Hmmm ... auch vieles andere, über das wir hier morgens, mittags oder abends mal sprechen,was sie interessiert oder ihnen wichtig ist, wird in der Schule wohl nie zum Thema werden, es sei denn die Französische Revolution wird ins Curriculum der Grundschule aufgenommen, im Sportunterricht gibt es Ballettpositionen und im Kunstunterricht werden Stopmotionfilme gedreht. Was ich sagen will ist nicht: Ho ho, hör mal her, was unsere Kinder für Überflieger sind und mit welch` tollen Sachen sie sich befassen! Nein, mir ist nur noch mal klar geworden, welche Verantwortung in unseren Händen als Eltern liegt. Wir entscheiden darüber, was wir unseren Kindern mitgeben- zum einen können und zum anderen wollen. Es ist unser Blick auf die Welt, den wir ihnen anbieten, aus dem sie etwas machen können, von wo aus sie viel weiter schauen können. 

Wir hier leben fast die ganz klassische Rollenverteilung: Den musisch-ästhetischen Teil übernehme ich. Ich backe, koche und gestalte gerne mit meinen Kindern. Der Mann übernimmt dann die handwerklichen Tätigkeiten und eben die geschichtspolitische Bildung. Nicht selten tauschen wir die Rollen oder sie vermischen sich. Das Mittagessen liegt fest in Männerhand;-)
Darüber hinaus gehört zu unserem Elternlehrauftrag die Vermittlung sozialer Werte: Wir gehen freundlich miteinander um, achten unsere Mitmenschen und ihr Eigentum, wir hören uns zu, lassen uns ausreden, sagen Bitte und Danke, halten unsere Sachen zusammen und können uns auch entschuldigen. Das soweit zur Kür, die Gedanken einer Mutter.

Ist die Pflicht dann die Aufgabe der Schule? Mit ihrem frühen Aufstehen, den Hausaufgaben, der Mappenführung und dem manchmal auch langweiligem Unterricht ist sie auch hier durchaus mal eine leidige Pflicht. Als Grund- und Förderschullehrerin bin ich ja nun mal auch Teil dieses Schulsystems, welches ich nicht immer bedingungslos und uneingeschränkt gut finde. Sicherlich gibt es in meinem Unterricht nicht immer ein Feuerwerk, und es gibt manches Mal ganz andere Dinge, die viel viel spannender und interessanter sind, als die, die ich vorbereite. Ich nehme mir aber immer vor, mit Freude und Einsatz den Schulvormittag zu gestalten und mich somit um das grundlegende Gepäck für die mir anvertrauten Kinder zu kümmern. Wenn mir das gelingt, dann habe ich doch viel erreicht. Mir ist bewusst, vieles lernen die Kinder wegen oder trotz der Lehrerin;-) Soweit es die Unterrichtspraxis erlaubt, gehe ich auf all diese kleinen und großen Persönlichkeiten mit ihren individuellen Ausprägungen ein, schaffe hoffentlich schöne Schulmomente und vertraue darauf, alle Kinder grundlegend zu versorgen, eben auch die, die keine Europakarte im Flur haben. Mehr erwarte ich auch nicht von der Schule meiner Kinder, aber auch nicht weniger. 
Natürlich wären eine Geschichts-, Ballett- und Kunstschule perfekt, dennoch bin ich froh und dankbar mit dem Konzept, das wir haben, das da ganz einfach heißt  "Schule gegenüber". Das macht es möglich, mit den Kindern aus unserem Viertel vormittags die Schulbank zu drücken und am Nachmittag mit denselben Kindern von Haus zu Haus zu wandern, mal hier einen Apfel abzugreifen und bei der anderen Mama vielleicht eine Waffel. 
Nur um das klarzustellen, auch unsere Kinder fügen sich nicht ganz puzzlepassgenau in dieses Gefüge der herkömmlichen Schule. Auch sie stöhnen, wenn sie Vorgänger und Nachfolger aufschreiben müssen, statt die Römer aufzubauen, meckern, wenn sie das Einmaleins büffeln müssen, statt durch das Haus zu tanzen, oder ärgern sich, Lebensdaten eines Komponisten auswendig lernen zu müssen, statt zu zeichnen. Sie müssen sich mal anpassen und müssen auch mal was aushalten. Und trotzdem oder vielleicht gerade auch deshalb finde ich Schule gut. Wir Eltern wollen für unsere Kinder immer nur das Beste, wollen, dass es ihnen überall und immer gut geht. Aber haben sie nicht auch mal das Recht darauf, etwas doof zu finden? Sollten sie nicht lernen, sich auch dann arrangieren zu können? Ich schätze mich sehr glücklich, in einem Land zu leben, in dem unsere Kinder einfach so zur Schule gehen dürfen und können, und wir unterstützen sie auf diesem Weg! Dort bekommen sie eine, wie ich finde, ganz gute Grundausstattung, und für die Extras sind eben die Eltern zuständig. Zu unserem und vor allem ihrem Glück gehen sie ja auch gerne zur Schule, meistens. Aber ich frage mich: Ist es das? Ist es Glück? Was, wenn es nicht passt, ist es dann Pech?  Und: Kann (m)ein Kind sich tatsächlich ausreichend entfalten, wenn es sich anpassen muss? Oder: Ist es nicht doch  auch eine Stärke, sich anpassen zu können und sich dennoch treu zu bleiben? Ist es alles eine Frage der Einstellung, der Haltung gegenüber Schule? Wir alle sind zur Schule gegangen, kennen uns aus und haben unsere Erfahrungen gemacht. Diese beeinflussen uns nun unweigerlich und begründen oft unsere Meinung über Schule.  Wie ist deine Meinung? Was sind deine Erfahrungen? Deine Erwartungen? Vielleicht kannst du von alternativen Schulformen berichten. Erzähl doch mal!Ich bin sehr gespannt! 

Goldi

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen