Freitag, 19. Oktober 2018

Eine Herzensangelegenheit




Hey, mein "kleines Mädchen"! Ich schaue dich an und suche nach dem ein- zwei- drei- vier- fünfjährigen Mädchen, und sehe ein tolles elfjähriges Mädchen, das all diese kleinen Mädchen in sich vereint. 



Mit dem erstgeborenen Kind erlebt man als Mutter alles zum ersten Mal. Ich habe quasi ein Abo auf sämtliche Premieren: Die erste Geburt,das erste erste Lächeln, das erste erste Brabbeln, das erste erste Drehen, Robben und Krabbeln, die ersten ersten Schritte, die erste Eingewöhnung in Krippe und Kindergarten, die erste Einschulung und die erste erste Null. Ich kann mir meine Erstgeborene heute gar nicht mehr anders vorstellen, als so, wie sie gerade ist. Wirklich sentimental bin ich bei dem Gedanken nicht. Kleidung, Spielzeug, Kunstwerke, Zähne, alles landet in einer großen Erinnerungskiste, deren Deckel ich fast nicht mehr schließen kann. Zum Glück ist das Fassungsvermögen meines Herzens aber unbegrenzt, und ich glaube ganz fest, dass "Jetzt" einfach immer die beste Zeit ist. 
Alles unterliegt einem Wandel, mal wandelt es sich schnell, meistens aber doch allmählich. In einem gut verträglichen Tempo, das es mir möglich macht, mich an alles zu gewöhnen. Wie an die Tatsache, dass meine Erstgeborene nun  kein kleines Mädchen mehr ist. 



Zum meinem Geburtstag vor knapp 1 1/2 Jahren nähte sie mir ein kleines, teddyplüschiges Herz. Wie ein kleiner Schatz landete es irgendwann unter meinem Kopfkissen. Als wir neulich beim Vorlesen auf unserem Bett kuschelten, fiel es ihr in die Hände, und ich verriet ihr mein Gute-Nacht-Geheimnis, nämlich, dass ich zum Schlafengehen gerne das Herz in der Hand halte. Vor kurzem dann äußerte sie aktuelle Wünsche: "Ich hätte gerne einen neuen Mantel, ach ja, und so ein Herz!" Wie süß ist das denn!? 
Nachdem wir in der Stadt nun vergeblich nach dem gewünschten Mantel gesucht haben, ist er jetzt bestellt, ein Teddymantel übrigens.



Und das Herz, das habe ich auch endlich genäht. Von der Bestellung weiß sie, von dem Herz noch nicht. Der Wunsch nach dieser kleinen kuscheligen Aufmerksamkeit berührte mich. So, dass mit Blick auf mein elfjähriges Mädchen, das hier seit einiger Zeit schon so sehr selbstständig seine Wege geht, das sich gerne auch mal zurückzieht, sich meine Gedanken seitdem immer mal wieder um dieses winzige Nähprojekt drehten. Letztlich wollte ich das Herz nicht nur mit Watte, sondern auch mit einer Prise Mama füllen. 
Diese Mama, das bin ich. Ich bin  spätestes seit der letzten Einschulung hier im Haus wahrlich keine Kindergartenmama mehr. Ich bin jetzt ausschließlich eine Schulkindmama, mehr noch, eine Teeniemama. Eine Mama, die zwar noch alle Brotdosen füllt, aber alle drei Kinder morgens mit einem Kuss und guten Wünschen für den Vormittag an der Tür verabschiedet, bevor sich sämtliche Familienmitglieder auf den Weg zur Schule machen. Eine Mama, die zu Spielverabredungen vielleicht noch mal eine Schale Brezeln und Apfelstücke reicht, ansonsten aber nicht mehr mitspielen darf und auch eine geschlossene Tür aushalten kann. Eine Mama, die irgendwie immer auf Abruf ist und ihre Schreibtischarbeit noch oft auf den Abend verlegt, aber immer mehr lernt, auch die Zeit für sich zu nutzen. Ja, mittlerweile bastel ich auch schon mal alleine. Früher oder später bekomme ich dann doch die geliebte Gesellschaft eines meiner Kinder. Eine Mama, die regelmäßig das Fußball - und die Balletttrikots wäscht,sich aber freut, dass zwei von dreien die nahen Strecken zu den Hobbies alleine bewältigen, und die sich ebenfalls freut, wenn ich die Kinder auch mal wieder begleite. Einfach, weil es Spaß macht.   Eine Mama, die froh ist über jede gemeinsame Vorleseslektüre und schon gespannt ist, wenn der dritte im Bunde alleine lesen kann.  Eine Mama, die dafür Sorge trägt, dass alle Schulsachen vorhanden und alle Hausaufgaben gemacht sind, deren Zunge sich aber beim Abfragen der Spanischvokabeln verknotet. 




Ich weiß, sie brauchen mich noch, alle drei, mal mehr, mal weniger, aber sie brauchen mich, auch wenn sich das Brauchen stetig wandelt. Es wird nicht schwieriger, wie ich oft andere Eltern sagen höre, es wird nur anders. Und das ist auch gut so! Genau das werde ich meiner Tochter mit dem Herz auf den Weg geben: Ich habe dich lieb, und ich bin für dich da! Immer!
Und wenn alles immer nur eine Phase ist, dann heißt meine Lieblingsphase: Jetzt! Denn: Heute mehr als gestern, und weniger als morgen bin ich gerne eine Mama! Jetzt lege ich rasch das Herz auf Bett...

Goldi



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